Baumbefall

Dir, Pöbel des Internets!

„Noch immer sind weite Landstriche, die als wunderbare Wiesen übersichtlich blühen könnten, von fatalem Baumbefall betroffen. Es wird Zeit, dass dieses Land endlich gereinigt wird von dieser Plage und die störrischen Bäume dorthin gelangen, wo sie hin gehören: In den Ofen! Und genauso wenig sollten diejenigen verschont werden, die den Bäumen, vor allem aber: Dem Wald, Hilfe und Unterschlupf gewähren!“

Er stand allein auf einer kleinen Lichtung und blickte hinauf in den weißen Himmel, über welchen hin und wieder blaue Flecke zogen. Lange stand er so, wie in einem Loch in einem Meer aus Bäumen. Alles war still, bis ein Windstoß aufkam und im Wald ein seltsames Flüstern anhob. Ein Schauer durchlief seinen Körper und nach einer Weile senkte er mit Widerwillen seinen Blick auf die hochragenden Bäume, ihre grotesk gewundenen Äste, ihre grellen, entarteten Farben. Er sah sich nervös um, doch sah er, wie zuvor, nichts; Nur die fremden Bäume standen reglos, als ob sie ihn verhöhnen wollten.

Wieder kam ein Windstoß auf und es kam Bewegung in den undurchsichtigen Forst, unzählige fallende Blätter. Welch unbekannte Kreaturen mochten im Schutz des Laubs an den Saum der Lichtung kommen, seiner harrend? Er wusste, die Bäume selbst wollten ihn, kamen näher, zogen den Ring immer kleiner. Er spürte Panik in sich aufsteigen, wich zurück, erkannte, wie das tückische Geäst hinter ihm näher rückte. Sein Innerstes zog sich zusammen und er schrie. Er lief, doch sinnlos in welche Richtung er zu fliehen versuchte, immer kam ihm das verworrene Geflecht aus Holz und Blättern näher. Schließlich sackte er kraftlos auf die Knie, presste seine Handflächen gegen die Ohren, blickte starr hinauf in den bekannten Himmel, alles andere ausblendent.

Langsam beruhigte er sich wieder und plötzlich wurde er seines Gebarens gewahr, das so schwächlich und verachtenswert war; Und dieser verhasste, fremde Wald hatte ihn dazu getrieben; Und lachte über ihn. Aber er war stärker als dieser verwirrende Forst. Er würde einen Weg aus dem Wald und einen gegen ihn finden. Die Zeit war reif, dass er sich über seinen Peiniger erhob und ihn besiegte. So richtete er seinen Blick fest in den finsteren Schlund des Feindes, ballte seine Hände zu Fäusten, stählte seinen Willen. Falls er jemals wieder andere Menschen sehen würde, würden sie ihm Respekt und Ehre zollen. Andernfalls würde er hier einen aufrechten und glorreichen Tod finden.

Er schloss seine Augen und begann zu laufen. Sobald er die Lichtung verlassen hatte, spürte er, wie sich die Bäume und Sträucher auf ihn stürzten, wie sie mit ihren Ästen nach ihm griffen, versuchten ihn zu halten. Mit zugekniffenen Augen lief er weiter. Er war stärker, er war besser. Sie konnten ihn nicht packen. Blindlings schlug er alles hinfort, was sich ihm in den Weg stellte. Wurde er selbst getroffen, ignorierte er den Schmerz,  wie groß er auch sein mochte. Oft fiel er, immer wieder erhob er sich erneut. Er kämpfte glorreich. Doch dann schlug ihm ein besonders hinterhältiger Baum wie mit einem Brett gegen die Stirn und er sackte bewusstlos auf den kalten Boden.

So wurde er mit leichten Blessuren und einer Platzwunde am Kopf von zwei Wanderern gefunden, die in diesem schönen herbstlichen Wald eigentlich hatten spazieren wollen.

Mit vielem Dank an Xyrion für diese bildliche Interpretation.

3 Gedanken zu „Baumbefall

  1. Jaah, und ich hab beim Lesen die ganze Zeit auf eine Stelle gewartet, wo er „mit grimmem Blicke gen Waldrand schaut und eine Faust zur Drohung erhebt, mehr aber aus Verzweiflung.“
    und dann kam diese Stelle!

  2. Ach, du sprichst mir aus der Seele: Lange hab ich auf die Erwähnung der Fäuste gewartet, als Sinnbild für machtlose, verzweifelte und leere Drohung, diese Hand, die er mit grimmen Blicke gen Forst zu einer Faut ballt, aber mehr konnte er nicht tun.

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